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Faszientraining

Faszientraining – Nur ein Hype?

Die Forschung zu Faszien steckt noch in den Kinderschuhen. 3 Welche Konzepte können wir bisher nachweisen und was müssen wir beim Anwenden beachten?

Seit ein paar Jahren existiert ein medialer Hype um Faszien und Faszientraining. In den meisten Sportarten, aber auch als Therapiekonzept, finden wir Techniken und Tools, um auf das fasziale Gewebe einzuwirken. So nutzen wir Foam Rolling im Aufwärmprogramm, um die Durchblutung anzuregen oder die Beweglichkeit zu verbessern. 1 In der Physiotherapie gibt es Techniken nach dem Fasziendistorsionsmodell (FDM), um den Heilungsprozess nach einer Verletzung zu unterstützen. 2 Die Forschung zu Faszien steckt noch in den Kinderschuhen. 3 Welche Konzepte können wir bisher nachweisen und was müssen wir beim Anwenden beachten?

Was sind Faszien?

Faszien sind ein Teil unseres Bindegewebes. Sie umhüllen unsere Muskelfasern, geben unseren Nerven und Blutgefäßen einen natürlichen Schutz und sind eine Barriere gegen Infektionen. Ein dreidimensionales Netz, das den gesamten Körper durchzieht und ihn als ein Kontinuum verbindet. Damit stellt das fasziale System eine Grundlage für die Zusammenarbeit aller Systeme des menschlichen Körpers dar. 4 Sie sind aus biologischer Sicht aber nicht außergewöhnlicher als Muskeln, Knochen oder andere Gewebe. Auch wenn Faszien überall im Körper vorkommen, macht sie das nicht wichtiger als andere Gewebearten. Wir finden ja auch überall Blutgefäße und Nervenbahnen
oder?

Aktuell gibt es keine klare Definition von Faszien. So existieren unter den Experten unterschiedliche Betrachtungsweisen und Klassifikationen, ohne eine eindeutige Definition, welche Strukturen eigentlich zur Faszie gehören. 3, 4 Bislang wurde angenommen, dass Faszien verkleben können und sich Distorsionen bilden können. Dieses Modell ist allerdings nur als Hypothese bekannt und konnte am menschlichen Körper nicht nachgewiesen werden. 5, 6 Und wir müssen klar unterscheiden zwischen faszialem Gewebe und Sehnen, Bändern oder der Gelenkkapsel.

Anders als das zugfeste Sehnengewebe, wird das fasziale Gewebe als eher weich und extrem dehnbar beschrieben. Es besitzt nur 1% der Zugfestigkeit von Sehnen und kann um bis zu 100% in die Länge gedehnt werden. 7, 8 Der Muskel ist durchzogen von faszialen Strukturen, die ihm seine Form geben und den Leitungsbahnen einen natürlichen Schutz bieten. Aufgrund der hohen Elastizität, können wir aber davon ausgehen, dass sie bei der Kraftübertragung von der Muskulatur auf unser Skelett eher gering beteiligt sind.

In den letzten Jahren wurde intensiv am Zusammenwirken von Muskel und Faszie geforscht. So kam man zu dem Schluss, dass die Kraftübertragung nicht nur von Muskel zu Sehne sondern auch über die Faszie von Muskel zu Muskel stattfinden könnte. 9 Physiologisch tritt dieser Zustand aber vermutlich niemals ein. 10, 11

Faszialer Release, Faszientraining und Foam Rolling

Gerade Foam Rolling hat in sehr kurzer Zeit in vielen Sportarten seinen Platz gefunden. Damit sollten Athleten die Möglichkeit bekommen, selbstständig positiv auf das fasziale Gewebe einzuwirken. So ist die Erwartung, den Blutfluss im Aufwärmprogramm zu verbessern, die Leistungsfähigkeit zu steigern oder die Spannung der Faszien zu lösen. 1 Keiner dieser Wirkmechanismen konnte bisher nachgewiesen werden. Dennoch fühlen wir uns nach dem Foam Rolling besser. Wie kann das sein? Letztendlich erreichen wir eine globale Regulation des Nervensystems.

Gerade beim Rollen über sehr schmerzempfindliche Stellen, fangen wir an, intensiver ein- und vor allem auszuatmen. Dadurch kommen wir in einen Zustand der Entspannung. Das reduziert nicht nur den Muskeltonus, sondern
wirkt sich auch positiv auf die Schmerzwahrnehmung aus. Wir müssen uns nur fragen, ob wir diesen Zustand vor oder nach dem Training brauchen?

Der mechanische Druck, der nötig wäre, um fasziales Gewebe strukturell zu verändern, geht weit über das hinaus, was ein Mensch physiologisch aufbringen kann. 7 Das gilt sowohl für das Foam Rolling, als auch für Therapiekonzepte wie das FDM. Die Wirkmechanismen dieser Konzepte entsprechen dem klassischen Dehnen. Somit haben wir einen temporären Effekt auf die Schmerzwahrnehmung und auf die lokale Stoffwechselsituation. Das kann für die Reduktion von Muskelkater ein sinnvoller Ansatz sein. Außerdem haben wir die Möglichkeit mit Foam Rolling kurzzeitig die Beweglichkeit zu verbessern. Ob wir das für unser Training brauchen, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Neben den positiven Effekten, kann Faszientraining auch negative Folgen haben. So müssen wir uns fragen, ob es ethisch vertretbar ist, unseren Kunden Schmerzen zuzufügen, wenn wir die Wirkmechanismen bisher nicht verstanden haben. Der hohe mechanische Druck beim Foam Rolling kann dazu führen, dass wir die oberflächlichen Nerven und Gefäße verletzen. Außerdem ist Schmerz in der Regel ein Warnsignal des Körpers, das wir auf jeden Fall beachten müssen. Darüber müssen wir uns im Klaren sein, wenn wir auf Faszientraining zurückgreifen.

Fazit

Unser Körper ist ein komplexer Organismus, in dem viele Systeme zusammenarbeiten. Eine Reduktion der Wirkmechanismen von speziellen Übungen nur alleine auf das fasziale Gewebe, erscheint zu einfach. Wenn wir durch den Einsatz von Faszientraining einen positiven Einfluss auf die Atmung ausüben, erscheint das als ein geeignetes Tool für das Abwärmen nach dem Training.

Letztendlich müssen wir für uns entscheiden, ob wir einen positiven Effekt spüren und welches Tool für uns am effektivsten ist. Um die Wirkmechanismen zu verstehen brauchen wir zunächst eine klare Definition. Der Einfluss auf das fasziale Gewebe ist vermutlich sehr gering. Also müssen wir entscheiden für wen und wann eine solche Trainingsform sinnvoll ist. Faszientraining ist ein Kann und kein Muss.

Quellen:

1) R. Schleip, D.G. Muller, Training principles for fascial connective tissues: scientific foundation and suggested practical applications, J. Bodyw. Mov. Ther. 17 (1) (2013) 103–115.

2) European Fascial Distortion Model Association (EFDMA). Das Fasziendistorsionsmodell nach Stephen Typaldos D.O. Die Typaldos-Methode. Wien: European Fascial Distortion Model Association; 2012

3) Adstrum, S., Hedley, G., Schleip, R., Stecco, C., Yucesoy, C., 2016. Defining the fascial system. Journal of Bodywork and Movement Therapies

4) Schleip, R., Jäger, H., Klingler, W., 2012. What is ’fascia’? a review of different nomenclatures. Journal of Bodywork and Movement Therapies 16 (4), 496–502.

5) Bishop, J. H., Fox, J. R., Maple, R., Loretan, C., Badger, G. J., Henry, S. M., Vizzard, M. A., Langevin, H. M., 01 2016. Ultrasound evaluation of the combined effects of thoracolumbar fascia injury and movement restriction in a porcine model. PLOS ONE 11 (1), 1–13.

6) Langevin, H. M., Huijing, P. A., 2009. Communicating about fascia: history, pitfalls, and recommendations. Int J Ther Massage Bodywork 2 (4), 3–8.

7) Chaudhry, H., Schleip, R., Ji, Z., Bukiet, B., Maney, M., Findley, T., 2008. Three-dimensional mathematical model for deformation of human fasciae in manual therapy. The Journal of the American Osteopathic Association 108 (8), 379–390.

8) Henderson, E., Friend, E., Toscano, M., Parsons, K., Tarlton, J., 2015. Biomechanical comparison of canine fascia lata and thoracolumbar fascia: an in vitro evaluation of replacement tissues for body wall reconstruction (44), 126–34.

9) Huijing, P. A., van de Langenberg, R. W., Meesters, J. J., Baan, G. C., Dec 2007. Extramuscular myofascial force transmission also occurs between synergistic muscles and antagonistic muscles. J Electromyogr Kinesiol 17 (6), 680–689.

10) Ranger, T. A., Newell, N., Grant, C. A., Barker, P. J., Pearcy, M. J., 2016. The role of the middle lumbar fascia on spinal mechanics: A human biomechanical assessment. Spine.

11) Siebert, T., Leichsenring, K., Rode, C., Wick, C., Stutzig, N., Schubert, H., Blickhan, R., Böl, M., 2015. Three-dimensional muscle architecture and comprehensive dynamic properties of rabbit gastrocnemius, plantaris and soleus: Input for simulation studies. PLoS One 10 (6), e0130985.

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